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Kalifornien: app-basierte Fahrer sind Unternehmer keine Angestellten | Gig Economy setzt sich mit Antrag bei USA Wahl durch

 

 

Weitgehend unbemerkt wurde parallel zur Präsidentenwahl in Kalifornien über den sogenannten Antrag 22 (Proposition 22) abgestimmt. Der Antrag wurde von Unternehmen der Gig Ecnonomy eingebracht. Gig Economy bezeichnet einen Teil des Arbeitsmarktes, bei dem kleine Aufträge kurzfristig an unabhängige Selbständige, Freiberufler oder geringfügig Beschäftigte vergeben werden.

In dem Antrag 22 (Proposition 22) geht es darum, dass Fahrer*innen von Plattformlösungen wie Uber als unabhängige Auftragnehmer und nicht als Angestellte betrachtet werden. Der Antrag 22 (Proposition 22) wurde mit deutlicher Mehrheit angenommen.

Der Antrag 22 (Proposition 22) wurde von Lyft, Uber, DoorDash, Instacart und Postmates als Gegeninitiative zur California Assembly Bill 5 vorangetrieben. Im Fall von Assembly Bill 5 entschied das Obersten Gerichtshofs von Kalifornien, dass die meisten Arbeiter Angestellte sind und als solche eingestuft werden sollten. Die Beweislast für die Einstufung von Einzelpersonen als unabhängige Auftragnehmer liegt beim einstellenden Unternehmen. AB 5 gibt Arbeitnehmern, die als Angestellte eingestuft werden, Anspruch auf einen größeren Arbeitsschutz, wie z.B. Mindestlohngesetze, Krankenurlaub und Leistungen bei Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfähigkeit, die für unabhängige Auftragnehmer sonst nicht gelten.

Neue digitale Formen der Lobbyarbeit

Die Initiatoren haben die Campagne mit mehr als 205 Millionen Dollar Spendengeldern unterstützt. Sie ist damit die teuerste Wahlmaßnahme in der Geschichte Kaliforniens. Finanziert wurden einerseits die klassische Lobbyarbeit zur Kampagne selbst. Andererseits wurde jedoch auch der Zugang zu Kunden und Fahrer+innen zur Lobbyarbeit genutzt. Uber sendete seinen Fahrern In-App-Meldungen, die sie entweder mit dem Button "Yes on Prop 22" oder "OK" bestätigen mussten, Auftragnehmer von Instcart sollten „Pro-Prop 22-Aufkleber“ auf die Einkaufstaschen der Kunden kleben und DoorDash hat seine Auslieferungsfahrer*innen mit "Yes on 22"-Taschen ausgerüstet. Die Nachunternehmen waren offenbar mehr oder weniger gezwungen, die Kampagne zu unterstützen.

Inhalt des Antrag 22 (Proposition 22)

Der Antrag 22 (Proposition 22) hat arbeits- und lohnrechtsähnliche Bestimmungen zum Inhalt, die speziell für Einzelauftragnehmer*innen gelten, welche ihre Aufträge per App bekommen (app-basierten Fahrer). Vorschlag 22 definierte die Einsatzzeit eines Fahrers als Zeit zwischen der Annahme einer Serviceanfrage und dem Abschließen des Auftrags. Der Zeitraum, während der Auftragnehmer bei der App angemeldet und für die Erfüllung einer Anfrage verfügbar ist, ist nicht eingeschlossen.

Konkret wird folgendes festgeschrieben:

  1. Zahlungen für die Differenz zwischen dem Nettoverdienst eines Auftragnehmers, ohne Trinkgelder, und einer Nettoverdienstgrenze auf der Grundlage von 120% des Mindestlohns für die Einsatzzeit des Fahrers und 30 Cent, inflationsbereinigt nach 2021, pro gefahrene Meile;
  2. Begrenzung der Arbeitszeit von app-basierten Fahrern auf mehr als 12 Stunden innerhalb eines 24-Stunden-Zeitraums, es sei denn, der Fahrer wurde für ununterbrochene 6 Stunden abgemeldet;
  3. Fahrer, die im Durchschnitt mindestens 25 Stunden pro Woche während eines Kalenderquartals arbeiten, können von den auftraggebenden Unternehmen Gesundheitszuschüsse in Höhe von 82% der durchschnittlichen kalifornischen Prämie (California Covered (CC)) für jeden Monat zu verlangen;
  4. Fahrer, die im Durchschnitt zwischen 15 und 25 Stunden pro Woche während eines Kalenderquartals beschäftigt sind, können von den auftraggebenden Unternehmen Gesundheitszuschüsse in Höhe von 41% der durchschnittlichen Prämie in Kalifornien für jeden Monat verlangen;
  5. Fahrer können von Auftraggeberin verlangen, eine Arbeitsunfallversicherung bereitzustellen oder verfügbar zu machen, die mindestens 1 Million US-Dollar an medizinischen Kosten und Einkommensverlusten aufgrund von Verletzungen abdeckt, die ein Fahrer erlitten hat, während er online war (definiert als der Zeitpunkt, zu dem der Fahrer die App benutzt und Service-Anfragen empfangen kann), aber keine persönlichen Aktivitäten ausübte;
  6. Fahrer können von der Arbeitsunfallversicherung verlangen, dass sie Invaliditätszahlungen in Höhe von 66 Prozent des durchschnittlichen Wochenverdienstes eines Fahrers während der letzten vier Wochen vor den erlittenen Verletzungen (während der Fahrer online war, aber keine persönlichen Aktivitäten ausübte) für mehr als 104 Wochen (etwa 2 Jahre) leistet;
  7. Fahrer können von Auftraggebern verlangen, dass sie eine Versicherung gegen Unfalltod zugunsten des Ehepartners, der Kinder oder anderer Angehöriger des Fahrers bereitstellen oder verfügbar machen, wenn der Fahrer während der Nutzung der App stirbt;
  8. Vorschlag 22 verlangt von den Unternehmen außerdem: die Entwicklung von Richtlinien gegen Diskriminierung und sexuelle Belästigung; die Entwicklung von Schulungsprogrammen für Fahrer in Bezug auf Fahren, Verkehr, Unfallvermeidung und Erkennung und Meldung von sexuellen Übergriffen und Fehlverhalten; eine Null-Toleranz-Politik für das Fahren unter Drogen- oder Alkoholeinfluss; und die Forderung nach kriminellen Hintergrundüberprüfungen für Fahrer.

Auswirkungen auf Europa und Deutschland

Die Unternehmen haben angekündigt, diese Lösung nun aktiv in weiteren Bundesstaaten auszurollen. Es ist zu erwarten, dass sie diese Lösungen auch auf europäischer und nationaler Ebene vorantreiben. Neu wären hier,

  • die direkte digitale Einbindung von Kunden und Auftragnehmern. Bei Auftragnehmern besteht zusätzlich eine mehr oder weniger große Abhängigkeit von den Aufträgen. Das Verhalten auf Unterstützungsaufforderderungen könnte die zukünftige Auftragsvergabe beeinflussen.
  • die finanziellen Möglichkeiten der Plattformen zur Finanzierung der Aktivitäten.

Mit hoher Sicherheit wird dadurch in den kommenden Jahren die Entwicklung der Gesetzgebung zum Thema Scheinselbständigkeit beeinflusst. Sollten sich ähnliche Regulären auch in Europa durchsetzen, wird sich auch hier die Landschaft für app-basierte Auftragserteilung an selbständige Fahrer mit einer neuen Dynamik entwickeln.

 

Quellen:

https://ballotpedia.org/California_Proposition_22,_App-Based_Drivers_as_Contractors_and_Labor_Policies_Initiative_(2020)

https://getaka.co.in/usa-news/uber-ceo-sees-california-ballot-initiative-as-a-model-for-other-states/

https://en.wikipedia.org/wiki/2020_California_Proposition_22

https://en.wikipedia.org/wiki/California_Assembly_Bill_5_(2019)

 

Photo by Georg Eiermann on Unsplash

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