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Und ewig grüßt das Murmeltier - Genug der Paketdienstschelte !

Und jährlich grüßt das Murmeltier

Alle Jahre wieder lesen wir vorzugsweise vor Weihnachten von schlechten Arbeitsbedingungen bei Paketdiensten. Die immergleiche Choreografie beginnt mit „Must-Click“ Überschriften in den Medien, danach folgen möglichst drastische Beispiele aus der Welt der Zusteller/innen, Gewerkschaften empören sich und fordern mehr Haftung für die Paketdienste sowie härtere Gesetze und das Durchgreifen der Behörden. Paketdienste geloben Besserung und erklären, sich von schwarzen Schafen unverzüglich zu trennen. Neuerdings geben sie die Verantwortung an die Empfänger/innen weiter. Sie seien die wahren Schuldigen, da sie mit ihrem Konsumverhalten und ihrer fehlenden Zahlungsbereitschaft der Branche die Luft zum Atmen nehmen. Diffuse Ratlosigkeit und Mitleid verbunden mit Appellen an die Branche, doch endlich das Problem zu lösen bleiben beim Leser hängen.

Traditionell organisierte Paketdienste bringen keine Lösungen für die Zukunft

Genau wie in der Automobilbranche, bei Energiekonzernen, traditionellen Versandhändlern wie Neckermann und Quelle erleben wir auch in der Paketbranche: traditionell organisierte Unternehmen entwickeln keine zukunftsfähigen nachhaltigen Lösungen. Zwar versuchen sie fieberhaft ihre jeweiligen Unternehmen auf die Zukunft zu trimmen. Jahrzehntelang gewachsenen IT-Landschaften, interne Unternehmensvorgaben, persönliche Befindlichkeiten und Besitzstandswahrung setzen jedoch enge Grenzen. Oft arbeitet man mit Werkzeugen aus den vergangenen Jahrzehnten um den Herausforderungen der Zukunft begegnen zu können. Zukunftsfähige Strategien wie Kooperationen, gemeinsame Plattformen, offene Standards, Dezentralisierung, Konsolidierung von Mengen und Vernetzung mit Dritten sind in den Unternehmenszentralen offenbar unbekannt. Soziale Verantwortung wird vertraglich per Unterschrift an Systempartner delegiert. „Jeder ist sich selbst der Nächste“ und „Mir das Meiste“ lauten die Devisen. Statt gemeinsam Antworten auf das Vorrücken global agierender Plattformen zu entwickeln, zerfleischen sich Marktteilnehmer in Wort- und Gutachtergefechten sowie Rechtsstreitigkeiten. Darüber hinaus fehlt vielen Paketdiensten aufgrund der geringen Margen schlichtweg das Kapital für wichtige Investitionen in die Zukunft.

Jedoch hat auch diese Medaille zwei Seiten. Auf der einen Seite agieren die Paketdienste wie beschrieben. Auf der anderen Seite lassen gesellschaftliche Akteure wie Verwaltungen, Politik, Unternehmen und Bürger diese Entwicklungen zu. Es ist auch an ihnen, Alternativen anzuregen und zu entwickeln. Es ist zu einfach, die Verantwortung für die wirtschaftlichen, und gesellschaftlichen Entwicklungen in der Paketbranche allein den Unternehmens-zentralen in Bonn, Aschaffenburg, Hamburg oder Seattle zuzuweisen. Der Weckruf gilt den Kommunen und anderen regionalen Akteuren.

Weckruf für Kommunen und regionale Akteure

Nach dem Grundgesetz regeln in Deutschland die Kommunen die „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“. Sie sind für die Steuerung der gesellschaftlichen Entwicklung und ihrer Rahmenbedingungen zuständig. Sie sind es, die über Wirtschaftsförderung, Wirtschaftsverkehrspläne, Smart City oder Smart Country Konzepte und Nachhaltigkeitsinitiativen festlegen, wie sich die Region entwickelt. Die Entwicklungen zum Thema „Dieselfahrverbote“ führen uns das aktuell eindrücklich vor Augen. Auch für stark wachsende Lieferverkehre auf der letzten Meile sind sie nun gefordert, ihrem Gestaltungsauftrag nachzukommen.

 

Wie können Lebensqualität der Bürger und zunehmende Lieferverkehre künftig miteinander in Einklang gebracht werden? Welche Rolle spielt der regionale Mittelstand als Versand- oder Zustellunternehmen in den Wertschöpfungsketten? Welche Anteile an der Wertschöpfung verbleiben zukünftig in der Region oder fließen an die Standorte global agierender Plattformen ab? Wie kann es gelingen, dass diese Unternehmen sozial nachhaltig wirtschaften? Wie ist künftig der diskriminierungsfreie Zugang zu relevanten Daten sichergestellt? Wie kann der lebendiger Wettbewerb um nachhaltige Geschäftsmodelle initiiert werden - das sind nur einige der Fragen, die es zu beantworten gilt.

„Einer muss(wird) anfangen“

Der Vorstandschef des größten deutschen Paketdienstes - Deutsche Post - appellierte unlängst im Handelsblatt an die Kommunen: „Einer muß anfangen!“ Verwaltungen in Städten und Gemeinden in Verbindung mit Politik, Mittelstand und Bürgern sind aufgefordert, den Kreislauf der Paketdienstschelte zu durchbrechen, mutig voranzugehen und die Wirtschaftsverkehre in der jeweiligen Region neu zu organisieren. Die Medien sollten neben der klickwirksamen Aufdeckung von Missständen solche Entwicklungen initiieren und stützen. Dann heißt es für sie, über derartige kommunale Initiativen zu berichten, ihrer Meinungsbildungsfunktion nachzukommen und sich als Motor für nachhaltige Wirtschaftskreisläufe zu sehen. Dann kann es uns gelingen, die festgefahrene Situation aufzubrechen und nachhaltigere Strukturen aufzubauen. Eines ist sicher, wenn wir es nicht nach unseren Regeln tun, werden es andere neue Marktteilnehmer nach ihren Regeln tun. Welches der erstrebenswertere Weg ist, muß jede(r) für sich selbst beantworten.

 

Photo by Jehyun Sung on Unsplash

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