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Aus-Geliefert: Am falschen Ort zu tief verwurzelt

(Aus der Verkehrsrundschau 31/2016 – Ein gemeinsamer Artikel mit MOONROC)

Im E-Commerce verändern sich Strukturen. Die Onlinehändler positionieren sich näher an ihre Kunden, um schneller ausliefern zu können. Das verändert auch die Logistikstrukturen: Hauptläufe entfallen. Bei der flexiblen Zustellung zum Kunden kommen neue Anbieter zum Zug.

Bei Pflanzen unterscheidet man zwischen Tief- und Flachwurzlern. Der Vorteil von Tiefwurzlern liegt darin, dass sie ein meist weitreichendes und tiefverankertes Wurzelnetz haben, wodurch sie genug Nährstoffe erhalten und sicher stehen. Der Nachteil ist, sie sind relativ unflexibel und können nur mit großer Mühe versetzt werden. Gegenteilig verhält es sich bei Flachwurzlern. Auch in der Paketbranche lässt sich beobachten, wie tiefe Wurzeln zum Problem werden können, wenn Flexibilität und neue Standorte gefragt sind.

Stationäre Filialen als Versandlager

In der bundesweiten Zustellung von Standardpaketen haben traditionelle Paketdienstleister ihre Wurzeln. Die Wertschöpfungskette beinhaltet die Abholung bei den Versendern, den bundesweiten Hauptlauf in die jeweiligen Zielregion sowie die Zustellung zum Empfänger auf der letzten Meile. Die Triebkraft für die Entwicklung der Sendungsmengen, insbesondere im B2C, ist der E-Commerce. Die Online-Händler positionieren sich zuletzt näher an ihre Kunden. Es werden Standorte in Ballungsgebieten errichtet oder sogar stationäre Filialen als Versandlager genutzt. Beispiele hierfür sind Amazon, Zalando, Media Markt, Saturn oder Rewe. Beim Versand innerhalb der Regionen verkürzt sich die Wertschöpfungskette. Erste und letzte Meile verschmelzen, während der bundesweite Hauptlauf entfällt. Im Kontext dieser Entwicklung gewinnen neue Marktteilnehmer gegenüber den traditionellen Paketdienstleistern an Relevanz. Die tiefere Verwurzelung der Traditionellen in den bundesweiten Prozessabläufen ist in diesem Szenario nicht mehr gefragt. Beim regionalen Versand verlieren sie an Schlagkraft. Kuriere, lokale Briefdienstleister oder bisherige Sub-Unternehmer sind aufgrund ihrer lokalen Wertschöpfungskette und Flexibilität besser aufgestellt und können ihre Serviceangebote entsprechend anpassen. Erste Online-Händler greifen daher direkt auf regionale KEP-Dienstleister zurück und organisieren die Logistik ohne die traditionellen Paketdienstleister. Deren Mischkalkulation und hochstandardisierte Prozesslandschaft ist nicht auf diesen Produktmix ausgerichtet.

Ein weiterer Trend im Online-Handel ist die Zunahme grenzüberschreitender Einkäufe und damit der internationale Versand und die Zustellung von Sendungen. Tarife, die Paketdienstleister für solch eine Sendung veranschlagen, sind teilweise fünfmal höher als Inlandstarife und laut Europäischer Kommission unangemessen. Neben dem intransparenten Tarifsystem haben traditionelle Paketdienstleister im grenzüberschreitenden Versand weitere Herausforderungen. Lange Laufzeiten, ein teilweise lückenhaftes Datenmanagement, z.B. im Track & Trace und die Abwicklung von Retouren sind nur eine kleine Auswahl. Mit den Mengen aus dem Online-Handel und den Möglichkeiten der Digitalisierung eröffnen sich Chancen für Plattformen über welche ein preisgünstigeres Tarifsystem, die Abwicklung des Contracting und die Verwaltung von Multi-Carrier-Diensten möglich wird. KEP-Dienstleister aus verschiedenen Ländern werden über dezentral organisierte Netzwerke international vernetzt. Innovative und schnellere Services werden durch moderne Technologien gefördert. Letztlich geben solche Plattformen kleineren KEP-Dienstleistern die Möglichkeit einen Teil der Prozesskette zu übernehmen. Die bestehende Prozesskette wird zerlegt und die einzelnen Schritte können durch eine Vielzahl an Dienstleistern erfüllt werden.

Neue Prozesse in der Zustellung

Durch die skizzierten Entwicklungen werden neue Marktteilnehmer Marktanteile erobern. Der Online-Handel erhält direkten Kontakt zu KEP-Dienstleistern auf der ersten und letzten Meile. Versandplattformen fördern, dass die traditionellen Paketdienstleister austauschbar werden. Ihre Wurzeln sind zu tief verankert, um sich schnell und flexibel anzupassen. Als Optionen bleibt ihnen diese Veränderungen und die Verschiebung der Marktanteile zu akzeptieren oder aber mit neuen Ablegern neue Wurzeln zu schlagen und in der Landschaft einen geeigneten Platz zum Wachsen zu finden. Beispielsweise bieten Versandplattformen, offene Netze und Crowdsourcing auch traditionellen Paketdienstleistern Chancen sich im neuen Umfeld einzufügen. Der Grad der Integration kann dabei variieren. Beschränkt sich die Öffnung auf die Leistung auf der letzten Meile oder werden auch Transportwege, Hubs oder Depots für weitere Spieler geöffnet. Detailliert wird dies im zweiten Teil dieses Artikels in der kommenden Ausgabe der VerkehrsRundschau diskutiert.

MOONROC ist eine führende Managmentberatung. In unserem Think Tanks analysieren wir aktuelle Branchentrends und entwickeln daraus zukunftsfähige Marktperspektiven.

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