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Der Paketboom wird den Postmarkt radikal verändern (Rudolf Pfeiffer)

KEP aktuell 4/2012

Veraltete Zustellstrukturen öffnen

Der Paketmarkt boomt. 2011 wurden 140 Mio. Pakete mehr verschickt als in 2010. Geht man davon aus, dass dieser Trend des Zuwachses linear weitergeht, sind wir bereits in 2015 bzw. 2016 bei 2,5 Mrd. Paketen. Das sind 500 Mio. Pakete mehr pro Jahr als jetzt (siehe Grafik) Rechnet man überschlagsmäßig mit 20.000 Paketen, die pro Tour und pro Jahr zugestellt werden können, werden für die Paketbranche ca. 25.000 mehr Zusteller benötigt, um 500 Mio. Pakete mehr als jetzt zustellen zu können. Schätzungsweise 80.000 Zusteller sind derzeit unterwegs. Benötigt werden dann in drei Jahren mehr als 100.000. Es besteht berechtigter Zweifel, wie beim gegenwärtigen Ansehen der KEP-Branche Zusteller gewonnen werden könnten, um den Job auszuführen. Hinzu kommt der demografische Wandel. Jüngere Leute, und dieses sind nun mal die Paketzusteller aufgrund der körperlichen Anstrengung, die die Paketzustellung bedeutet, werden nicht mehr in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Sie werden sich nach qualifizierteren und besser entlohnten Berufen umschauen.

Es gibt aber mindestens noch zwei weitere Gründe, die der Zunahme des Paketversandes Grenzen setzen werden. Zum einen ist es die Ausweitung der strukturschwachen Gebiete. Die Stoppdichte wird kleiner. Die Zustellung teurer. Allerdings: Wenn es keine Geschäfte auf dem Lande mehr gibt, muss zwangsläufig mehr im Internet bestellt werden. Das steigert den Paketversand wiederum, wird aber vermutlich die Kostenzunahme durch die geringere Stoppdichte nicht ausgleichen. Der zweite Grund der Begrenzung des Paketversands wird in den Städten sich auswirken durch die Zunahme des Verkehrs. Sie bewirkt einen höheren Zeitaufwand für Zustellungen. Da eine weitere Bündelung der Paketverkehre in der City sich ausschließt, bliebe nichts anderes übrig, als den ÖPNV zu verbessern, so dass eine spürbare Personenzahl auf attraktive öffentliche Verkehrsmittel umsteigt, vielleicht unterstützt von einer City Maut. Doch das ist ein Kapitel, das außerhalb des Paketverkehrs aufgeschlagen werden muss. Jedenfalls wird es gerade in urbanen Bereichen noch schwieriger sein, Arbeitskräfte für einen derzeit unattraktiven Job zu finden, denn das Arbeitsstellenangebot ist in Städten groß. Diese strukturellen Entwicklungen treiben zwangsläufig die Preise der Pakete in die Höhe. Hinzu kommen steigende Kraftstoffkosten und vor allem Fahrerlöhne, die zügig bei zehn Euro je Stunde und bei einem normalen Achtstunden-Arbeitstag landen werden – nebenbei gesagt, vielleicht sind die Preissteigerungen kein schlechtes Steuerungsinstrument, um die steigende Flut der Pakete abzubremsen.

Es gibt allerdings auch hohe Einsparpotenziale. Sie liegen einmal in der Bündelung der Zustellverkehre in strukturschwachen Gebieten. Die Zustellunternehmen brauchen allerdings die unternehmerische Freiheit ihrer Auftraggeber, selbst regional für Kooperationen zur Kostenminimierung resp. Fahrereinsparung zu sorgen. Ein gutes Beispiel für Bündelung ist der KombiBus der Uckermark. Einsparpotenziale liegen aber auch in besseren Chancen auf Ersatzzustellungen in z.B. unabhängigen ländlichen Postshops oder Markttreffs oder wie immer diese Orte, die vielfältig durch Bürgerengagement entstehen, heißen werden; oder in den Städten durch bürgernahe Postshops, die von jedem Zustellunternehmen genutzt werden können.

Hier müssten allerdings die großen Paketdienste über ihren Schatten springen und bestimmte Dinge den Zustellunternehmen und Agenturen/Annahmestellen überlassen, was sie selbst als Absprachen untereinander nicht leisten können. Mit einer solchen „Liberalisierung“ des Postmarktes, eröffnen sich neue Perspektiven für regional tätige Unternehmen. Besonders Briefdiensten könnten sich vom dem Paketmarktkuchen eine dicke Scheibe abzuschneiden – zumindest, was die regionale Zustellung und Versorgung anbetrifft. Zu Brief und Zeitung und sonstiger Werbung käme das Paket. Sollte keine Öffnung der verkrusteten Zustellstrukturen stattfinden, wird die Branche weiter Schaden nehmen, da sie nicht mehr leistungsfähig sein wird. Es wird dann sehr schnell der Ruf nach der guten alten Zeit zu hören sein – Post finanziert aus Steuergeldern.

Rudolf Pfeiffer

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