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Paketzustellunternehmen brauchen Rechte, da sie wie abhängige Selbständige arbeiten (Rudolf Pfeiffer)
KEP aktuell 1/2013
Gesetzlich gesicherte Lösung nötig
Es ist allgemeiner Gebrauch, Kleinunternehmen in der Zustellung einzusetzen. Es ist dagegen nichts einzuwenden, da im Güterverkehr wie im Postbereich es üblich ist, nachfolgende Frachtführer einzusetzen. Dieser ist auch im Frachtrecht des Handelsgesetzbuches offiziell beschrieben. Im Paketbereich tut sich eine neue Dimension auf. Dort sind ca. 15.000 Unternehmer unter Vertrag, die die Zustelldienstleistung mit rund 80.000 angestellten Fahrern erbringen. Sind sie aber auch diejenigen, die Weisung erteilen? Hier kommen mehr und mehr Zweifel auf. Die Partnerverträge haben mittlerweile eine Seitenfülle erreicht, die Zweifel aufkommen lassen, ob zum einen der Unternehmer überhaupt unternehmerisch entscheiden kann. Zum anderen wird durch die Praxis immer deutlicher, dass die Weisungsbefugnis gegenüber den Zustellern nicht beim Unternehmer liegt, sondern sich jeder Paketdienst bzw. Disponent dieses Recht der Weisung, Einweisung und des hire and fire herausnimmt. Diese Praxis von Werkverträgen gibt es auch in anderen Branchen. Viel diskutiertes Beispiel sind die Regalauffüller in Supermärkten. Sie sind bei Fremdunternehmen beschäftigt, handeln aber nach Weisung des Supermarktes. Das Bundesarbeitsministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ist aufgeschreckt und fragt sich, ob diese Werkverträge nicht dazu dienen, die gesetzlich und tariflich schärfer geregelte Leiharbeit zu umgehen. Experten diskutierten kürzlich beim Symposium „Werkverträge“ über dieses Thema (siehe www.bmas.de).
Nach dem Tenor der Diskussion wären auch Zusteller Leiharbeiter. Es spricht sehr vieles dafür, dass es so ist. Im Frachtgewerbe ist zwar die dispositive Befugnis stärker ausgebildet, da die Anweisungen des Auftraggebers von nachfolgenden Frachtführern beachtet werden müssen. Doch bezieht sich dieses Recht nur auf die Ausführung des einzelnen Auftrags, weder auf die Disposition der Gesamtheit der Aufträge (Tourenzusammenstellung) noch auf Auftritt und Kleidung etc. Der Einsatz von nachfolgenden Frachtführern/Subunternehmen beinhaltet grundsätzlich die Problematik, die Unternehmensidentität des Paketdienstes durchsetzen zu können. Doch Fremdunternehmen haben prinzipiell ihre eigene Corporate Identity. Es ist problematisch, sich das Recht herauszunehmen, verstärkt Anweisungen gegenüber den Zustellern der Fremdunternehmen zu geben. Daran ändert sich nichts, wenn diese Anweisungen bereits vertraglich vorformuliert sind. Partnerverträge auf Zeitarbeitsverträge zu ändern lösen das Problem nicht wirklich, da Leiharbeit nicht auf Dauer möglich ist. Wechselsysteme wären erforderlich. Schließlich ist es gleichgültig, für welchen Paketdienst zugestellt wird. Oder doch nicht? Die Umwandlung der Zustellunternehmen in Zeitarbeitsfirmen ist nicht die richtige Lösung, auch wenn Bundesarbeitsministerium und Gewerkschaften in diese Richtung denken. Die Zustellsysteme der Paketdienste geraten an ihre Grenzen, da zu viel Einbindung in den Betrieb erwartet und verlangt wird. Zustellunternehmer sind kaum noch selbständig. Wir brauchen eine gesetzlich abgesicherte Zwischenlösung, denn die Zunahme von sog. abhängigen Selbständigen ist kaum noch aufzuhalten.
Kleinunternehmen brauchen besondere Rechte, da sie in der Regel so etwas wie abhängige Selbständige sind. Sie sind so schutzlos wie Arbeitnehmer waren ehe Gewerkschaften Schutzrechte erkämpft haben. Ihre Verträge mit ihren Auftraggebern sind nicht auf Augenhöhe geschlossen. Dieses ungleiche Vertragsverhältnis ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) § 307 beschrieben. Solche Verträge sind nichtig. Doch die Rechtsprechung müsste sich diesem Phänomen der ungleichen Vertragspartnerschaft erst nähern. Was unterscheidet den abhängigen Selbständigen vom freien Unternehmertum? Seine Abhängigkeit besteht in der Regel darin, nur einen Hauptauftraggeber zu haben. Das ist ein überprüfbares Kriterium. Sozialversicherungsrechtlich gibt es bereits einen Zwischenstatus zwischen den ansonsten starren Polen einer abhängigen und einer unabhängigen Tätigkeit. Selbständige ohne Angestellte mit nur einem Hauptauftraggeber sind rentenversicherungspflichtig (SGB VI § 2). Warum nicht alle Selbständigen mit einem Hauptauftraggeber? Hier ist eine gesellschaftliche Auseinandersetzung zu führen.
Rudolf Pfeiffer
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