Frage 5
Welche Standpunkte hat bzw. welche Prioritäten setzt ihre Partei bei der Umsetzung derMindestlohnrichtlinie? Welche Rolle spielen die Maßnahmenpläne der europäischen Regierungenzur Steigerung des Mindestlohns sowie der Tarifbindung? Welchen Änderungsbedarf sehen Sie?
Wer Vollzeit arbeitet, muss von der Bezahlung leben können. Dafür war die EU-Mindestlohnrichtlinie ein wichtiger Schritt. Ziel ist, dass 80 Prozent der Beschäftigten von Tarifverträgen erfasst werden, da sie für bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen sorgen. Flankiert von zusätzlichen Regelungen wie der Richtlinie zur Plattformarbeit ist die Regelung ein Meilenstein auf dem Weg zu einemsozialen Europa. Auch wenn die Umsetzungsfrist für die Mitgliedsstaaten noch bis November 2024läuft, belegen Studien bereits heute ihre Wirkung auf die nationalen Mindestlöhne. Trotzdem sind die meisten EU-Länder noch weit von den Schwellenwerten der Richtlinie entfernt, so dass sie Maßnahmen greifen müssen, um ihre Verpflichtungen einzuhalten. In Bulgarien wurden die
Schwellenwerte hierzu beispielsweise in die nationale Mindestlohngesetzgebung übernommen. Die Umsetzung der Richtlinie muss die Kommission genauestens überwachen.
Auch nach Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales entspricht das heutige deutsche Mindestlohngesetz der europäischen Richtlinie über angemessene Mindestlöhne. Für die Festlegung des Mindestlohns sind auch künftig die Mitgliedstaaten zuständig. Wir wollen unabhängig von der Richtlinie die Tarifbindung in Deutschland erhöhen, z. B. durch Stärkung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen, durch deklaratorische Tariftreueregelungen und durch ein bundesweit einheitliches branchenübergreifendes „Tariftreuesiegel“.
Die Mindestlohnrichtlinie ist ein konkreter Erfolg des sozialen Europas für die wir uns sehr stark eingesetzt haben. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, angemessene Mindestlöhne nach klaren Kriterien festzulegen und das Ergreifen wirksamer Maßnahmen nachzuweisen. Wir wollen, dass die Mindestlohnrichtlinie in Deutschland konsequent umgesetzt wird und die Empfehlung, den Mindestlohn an 60 Prozent des Medianlohns zu koppeln, als verbindliche Vorgabe innerhalb der Richtlinie verankert wird. So würde der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland und anderen Mitgliedstaaten spürbar steigen und auch in Zukunft einen effektiven Mindestschutz für Beschäftigte bieten. Darüber hinaus soll mit der Richtlinie die Tarifbindung verbindlich gestärkt werden: Mitgliedstaaten mit einer tarifvertraglichen Abdeckung von weniger als 80 Prozent müssen einen Aktionsplan vorlegen. Das werden wir auch in Deutschland umsetzen und damit Gerechtigkeit in der Mitte der Gesellschaft stärken, denn auch in Deutschland ist die Reichweite von Tarifverträgen in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen und liegt nunmehr unter 50%.
Wir Freie Demokraten sind überzeugt, dass Arbeitsmarktpolitik zu Recht Aufgabe der Mitgliedstaaten ist. In Deutschland wird die Höhe des Mindestlohnes durch die Tarifvertragsparteien in der Mindestlohnkommission ermittelt. Generell ist die Lohnfindung die ureigenste Aufgabe der Tarifvertragsparteien und nicht des Staates. Nur in Fragen, die tatsächlich eine erhebliche grenzüberschreitende Bedeutung für den Binnenmarkt oder die Freizügigkeit haben, ist die EU politisch gefordert.
Die Linke setzt sich für 15 Euro Mindestlohn ein. Er muss jährlich automatisch um die Inflation erhöht werden. Die Mindestlohnrichtlinie sieht zudem vor, dass 80 Prozent der Beschäftigten in jedem Land durch Tarifverträge geschützt werden sollen. In Deutschland ist es derzeit nur die Hälfte, die Bundesregierung ist hier also in der Pflicht zu handeln. Öffentliche Aufträge und öffentliche Unterstützung sollten nur an Unternehmen gehen, die Tarifverträge einhalten. Zudem müssen Tarifverträge leichter für allgemeinverbindlich erklärt werden können. Davon profitieren auch die Unternehmen, die gute Löhne zahlen - allgemeinverbindliche Tarifverträge schaffen gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen und verhindern Dumping auf Kosten der Beschäftigten. Allgemeinverbindliche Tarifverträge gelten auch für entsandte Beschäftigte und erleichtern damit fairen Wettbewerb innerhalb der EU.
Die ÖDP befürwortet den Mindestlohn und fordert ein Niveau, das eine menschenwürdige Altersversorgung deutlich oberhalb der Grundsicherungsrente sicherstellt, wenn 45 Versicherungsjahre in Vollzeit-Erwerbsarbeit erreicht werden.