Aus den aktuellen Entwicklungen im Kontext des Ukrainekrieges ergeben sich neue Risiken für die Kurier-, Express-, Post- und Paketbranche. Die grundsätzlichen Auswirkungen haben in den KEP Teilbranchen unterschiedliche Ausprägungen. Aus den Risikoprofilen und Auswirkungen können Handlungsoptionen zur Sicherung der Lieferketten abgeleitet werden.
Ähnlich wie in die Corona Pandemie verstärken die Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine einerseits bereits vorhandene Herausforderungen für die KEP Branche. Dazu zählt der nun sehr schnell und stark ansteigende Kosten für Kraftstoff. Der bereits prognostizierte und erwartete Anstieg der Kraftstoffpreise in den kommenden Jahren wird nun binnen kürzester Zeit vorweggenommen.
Andere bekannte Risiken sind:
Lieferengpässen für Kraftstoffe
- fehlende Neufahrzeuge, die ältere Fahrzeuge in den Nutzfahrzeugflotten ersetzen müssten, fehlende Ersatzteile oder Werkstattkapazitäten
- andere Preiserhöhungen
- Inflation
- reduzierte Sendungsmengen aufgrund abreißender oder verlangsamter Lieferketten in Kombination mit sich eintrübenden Konjunkturaussichten und damit Umsatzausfälle
- geplante Steigerung des Mindestlohns zum Oktober 22
Die folgenden Analysen konzentrieren sich auf die Risiken aus den schnell und stark ansteigenden und wahrscheinlich dauerhaft auf hohem Niveau verbleibenden Kosten für Kraftstoff.
Inhaltsverzeichnis
2 Risiko: schnell & stark steigende Kraftstoffkosten
2.1.4 Arzneimittel-, Proben- und Medizintechniktransporte
2.1.5 Herausforderungen für Zeitungsverlage und regionale Postdienste
2.1.6 Dezentrale Letzte Meile Zustellsysteme als unabhängige systemrelevante Infrastruktur stützen
2.1.7 Stadtkurierdienste (B2B)
2.1.8 Botendienste (B2C) - Essen, Lebensmittel, Getränke, Restaurants
2.1.9 Direktkuriere - nationale und europaweite Direktfahrten für die Industrie
2.1.11 Werkstattbelieferung und andere Nachtlogistik
3.1 Sofort: Sicherstellung der Liquidität
3.3 Kraftstoffpreiskorridor für Unternehmen in den systemrelevanten Lieferketten
1 Kurzprofil KEP Branche
Bei der Bundesnetzagentur sind schätzungsweise 18.000 KEP Unternehmen für den Transport von Sendungen bis 31,5 kg registriert. Zusätzlich sind ca. 120 Unternehmen mit Briefdienstlizenzen auf dem Markt tätig. Die KEP Unternehmen setzen ca. 135.000 Nutzfahrzeuge im Segment bis 3,5 t zulässigem Gesamtgewicht (Kleintransporter) ein. In oder durch die Branche werden ca. 500.000 Arbeitskräfte beschäftigt. Der BdKEP vertritt über 3.800 mittelständische KEP Unternehmen. Die Branche zählt aufgrund von Subunternehmerstrukturen sowie hohem Wettbewerbsdruck zu denen mit den geringsten Vergütungen. Wettbewerb findet besonders im Paketbereich maßgeblich zwischen einigen wenigen Unternehmen mit Konzernstrukturen statt. Mittelständische Unternehmen sind überwiegend in den Teilbranchen außerhalb der Paketdienste sowie im Briefdienst als eigenständige Struktur wettbewerbsfähig.
Die KEP Branche unterteilt sich in folgende Teilbranchen:
- Paket- und Kurierdienste als Subunternehmen von Systemanbietern auf der ersten und letzten Meile für die Beförderung von Sendungen von Geschäftskunden und E-Commerce-Sendungen für Privatkunden
- Systemanbieter bspw. DPD, Hermes, UPS, GLS, Amazon
- Deutsche Post mit überwiegend eigenen Angestellten und Fuhrpark für die Brief- und Paketbeförderung
- regionale Postdienste oft in Kombination mit Zeitungsverlagen
- Zeitungszustellung durch Zeitungsverlage incl. Pressegrosso
- Stadtkurierdienste (B2B)
- Stadtlieferdienste (B2C) - Essen, Lebensmittel, Getränke, Restaurants
- Direktkuriere - nationale und europaweite Direktfahrten für die Industrie
- Radlogistik
- Pharma-, Proben- und Medizintechniktransporte
- Werkstattbelieferung und Nachtlogistik
2 Risiko: schnell & stark steigende Kraftstoffkosten
Der Ukrainekrieg führt auf dem ohnehin schon angespannten Markt zu steigenden Preisen. Russland droht inzwischen die Einstellung der Energielieferungen über Nordstream 1 an, Ölkonzerne schränken den Handel mit kurzfristig zu beschaffenden Mengen, also für diejenigen Abnehmer, die keinen bestehenden Liefervertrag haben ein. (Stand 7.3.) Die OPEC zeigt bisher keine Bereitschaft, die Fördermenge zu steigern. (9.3.)
Offen ist, wie stark die Kraftstoffkosten bis wann steigen und auf welchem Niveau sie sich stabilisieren. Zur Veranschaulichung sind in der folgenden Tabelle prozentuale Kostensteigerungen mit den Ausgangswerten vom Jahresanfang sowie kurz vor dem Ukrainekrieg 22.2.22 dargestellt.
Gegenüber dem Jahresanfang 2022 sind aktuell Kostensteigerungen um 50% vom 1,50 €/l auf 2,25 € pro Liter zu verzeichnen. Zusätzliche Kostensteigerung um weitere 50% (bezogen auf den Jahresanfang) erscheinen ohne Gegenmaßnahmen als sehr wahrscheinlich . Inwiefern der Gesetzgeber die Mineralölsteuer von derzeit 0,4701 €/l senkt ist offen. Aktuell zumindest lehnt das der Gesetzgeber ab. Die Senkung der Mehrwertsteuer bringt aufgrund der Vorsteuerabzugsberechtigung für KEP-Unternehmen den KEP Unternehmen Liquiditätsvorteile, jedoch keine Kostenvorteile.
2.1 Auswirkungen
Die überwiegend mittelständischen Unternehmen in der KEP Branche gehören zu den Unternehmen mit geringer Finanzkraft. Extrem geringe Deckungsbeiträge mit kaum vorhandenen finanziellen Reserven kombiniert mit schlechter Kreditwürdigkeit kennzeichnen die Unternehmen der Branche. Viele Unternehmen leben faktisch von der „Hand in den Mund“. Die aktuellen Kostensteigerungen erhöhen das Insolvenzrisiko. Sofern Unternehmen schließen müssen, sind Lieferketten unterbrochen. Die Leistungen von geschlossenen Unternehmen könnten zeitnah nur schwer ersetzt werden. Auf die KEP-Teilbranchen wirken sich die Kostensteigerungen für Kraftstoffe unterschiedlich aus.
2.1.1 Deutsche Post/ DHL
Die Deutsche Post arbeitet besonders in der Zustellung (Paket & Brief)nahezu vollständig mit eigenem Personal und Fuhrpark. In den letzten Jahren war der Konzern sehr profitabel. Das Unternehmen kann steigende Dieselpreise im Vergleich zu den meisten anderen Marktteilnehmern zunächst gut über die vorhandene Kapitaldecke gut abfedern. Die Auswirkungen sind zwar in den Kosten und damit im Deckungsbeitrag spürbar. Sie führen jedoch zunächst nicht unmittelbar zu einer Liquiditätskrise oder Insolvenzgefahr.
Erfahrungsgemäß hat die DPDHL mit Versender-Kunden im Brief oder Paketsegment keine sogenannten „Dieselfloater“ vereinbart. Über diese „Dieselfloater“ könnten steigende Kraftstoffpreise direkt an die Versender weitergegeben werden und reduzieren dadurch nicht die Deckungsbeiträge, belasten jedoch die Liquidität. Die Verträge mit Versendern sind i.d.R. langfristig und könnten über den Weg der außordentlichen Kündigung angepasst werden
2.1.2 Amazon
Der Konzern arbeitet in der Zustellung von KEP Sendungen (Warensendungen und Paketen) mit Subunternehmen (sogenannten DSP – delivery service partner) oder mit Paketdiensten zusammen. Das Unternehmen verfügt über hohe Kapitalreserven bzw. sehr gutem Zugang zum Kapitalmarkt. Amazon ist in der Lage den Subunternehmen die gestiegenen Kosten zusätzlich zu vergüten. Anders als bei den nachfolgend aufgeführten Systemanbietern, vergütet Amazon die Subunternehmen zu einem hohen Anteil pro Tour und nicht pro Paket. Die Vergütung ist mit einem Dieselfloater kombiniert. Dadurch haben Subunternehmen stabile, mengenunabhängige Einnahmen. Ein geringer Anteil der Aufwendungen werden leistungsbezogen bzw. pro Paket vergütet.
Die Coronakrise hat gezeigt, dass Amazon Mehrkosten der Subunternehmer schnell ausgleicht. Steigende Kosten in der Drittzustellung mit den Paketdiensten stärkt bei Amazon tendenziell die Eigenzustellung. Es gibt Hinweise darauf, dass Amazon auch diese Krise dazu nutzt, seinen Marktanteil und Leistungsfähigkeit deutlich auszubauen. Dazu kann das Unternehmen auf erhebliche Kapitalreserven zurückgreifen, die besonders dem Mittelstand verschlossen sind.
2.1.3 Systemanbieter wie DPD, Hermes, UPS, GLS + mittelständische Paket- und Kurierdienste als Subunternehmen auf der ersten und letzten Meile
Systemanbieter/ Paketdienste wie DPD, Hermes, UPS, GLS arbeiten in der Abholung und Zustellung überwiegend mit Subunternehmen. Die Vergütung erfolgt i.d.R. stück- bzw. stoppbasiert. Subunternehmer tragen so das Risiko steigender oder fallender Sendungsmengen. Nach Einschätzung von Experten sind Dieselfloater häufig Bestandteil der Verträge mit Subunternehmen. Wie hoch der Anteil von Subunternehmen ohne Dieselfloaterklausel ist, kann nicht eingeschätzt werden.
Einer der Systemanbieter/ Paketdienste hat beispielsweise in der Coronazeit aufgrund der zeitweise extrem geringen Kraftstoffkosten seinen Subunternehmen mit Rückforderungen aus dem Dieselfloater konfrontiert. Das bedeutete, Subunternehmen mussten Vergütung zurückzahlen, da sie Dieselkosten gespart haben. Diese Forderung wurde mit dem Angebot verknüpft, die Dieselfloater-Klausel aus dem Vertrag zu nehmen. Mutmaßlich haben viele Subunternehmen dieses Angebot angenommen. Es besteht deshalb das Risiko, dass ein signifikanter Anteil der Subunternehmen dieses Systemanbieters heute keine Dieselfloatervereinbarung mehr hat. Aktuell ist schwer einzuschätzen, wie dieser Systemanbieter mit diesen Subunternehmen umgeht. Amazon als Systemgeber bietet KEP Unternehmen schon heute aktiv kurzfristig verfügbare finanzielle Mittel zur Sicherstellung der Liquidität an.
Trotz Dieselfloater zeichnen sich jedoch für diese Subunternehmen Probleme mit der Liquidität ab. Sie müssen die gestiegenen Dieselkosten über ca. 2 Monate vorfinanzieren.
Zum Thema Dieselfloater und Liquiditätssicherung empfiehlt sich eine Abfrage bei den Paketdiensten und Systemanbietern.
2.1.4 Arzneimittel-, Proben- und Medizintechniktransporte
Aufgrund der Sensibilität dieser Transporte, sollte diese Teilbranche besonders beobachtet werden. Anders als bei beispielsweise Paketsendungen werfen hier Unterbrechungen der Lieferketten deutlich größere Risiken auf.
Arzneimittel, Proben- und Medizintechniktransporte erfolgen zu einem erheblichen Anteil über mittelständische Transportnetzwerke. Andererseits sind Großunternehmen wie Trans-o-flex aktiv. Sie setzen auf der ersten und letzten Meile auch mittelständische KEP-Unternehmen als Subunternehmen ein. Besonders im Arzneimittelgroßhandel kommen für die Apothekenbelieferung mittelständische KEP Unternehmen zum Einsatz.
Dieselfloater sind in der Branche teilweise verbreitet. Trotz Dieselfloater zeichnen sich jedoch für die Unternehmen Probleme mit der Sicherstellung der Liquidität ab. Sie müssen die gestiegenen Dieselkosten über ca. 2 Monate vorfinanzieren. Der genauen Anteil der Unternehmen mit Dieselfloater ist aktuell nicht bekannt.
2.1.5 Herausforderungen für Zeitungsverlage und regionale Postdienste
Zeitungsverlage sind im Segment regionale Tageszeitungen schon seit längerem in einem schwierigen Marktumfeld. Sinkende Abonnentenzahlen, stark steigende Kosten für Druckpapiere, eingebrochene Erlös aus dem Werbeanzeigengeschäft setzen die Geschäftsmodelle erheblich unter Druck. Die zu erwartende Mindestlohnerhöhung hat aufgrund der gegenüber anderen KEP Teilbranchen hohen Anzahl an Zusteller*innen extreme Auswirkungen auf den Deckungsbeitrag.
Regionale Postdienste haben bis auf wenige Ausnahmen regionale oder überregionale Zeitungsverlage als Gesellschafter. Diese verfügen über eine stärkere Kapitaldecke und Liquidität als in anderen Teilbranchen oft inhabergeführte mittelständische Unternehmen. Gerade die Zustellung in Ballungsräumen wird oft mit Lastenrädern durchgeführt. Insofern wirken sich dort die Steigerungen der Kraftstoffkosten besonders auf die Abholung von Sendungen, die Transporte zwischen Quell- und Zielgebieten sowie aus den Sortierzentren in die Depots aus. Die Auswirkungen von Kostensteigerungen sind jedoch außerhalb der Ballungsräume deutlich stärker, da hier auch auf der letzten Meile i.d.R. Kraftfahrzeuge über lange Strecken zum Einsatz kommen.
Es zeichnet sich ab, dass Mitarbeiter*innen anfangen zu kündigen, weil sich durch die gestiegenen Kraftstoffkosten der Arbeitsweg zu teuer wird. So kommen zu den finanziellen Herausforderungen nun noch Personalengpässe dazu.
Der extrem harte Wettbewerb mit der Deutschen Post AG erzeugt in diesem Markt erheblichen Preisdruck und lässt bei den Wettbewerbern der Deutschen Post AG nur sehr geringe Deckungsbeiträge zu. Zusätzlich bestehen oft langfristige Verträge mit Versendern. Dieselfloaterklauseln sind in der Branche eher unüblich. Schon geringe Kostensteigerungen beispielsweise bei der bundesweiten Abholung von Sendungen über Speditionen machen Auftrage schnell unwirtschaftlich. Um Verluste im Tagesgeschäft einzugrenzen, bleiben hier nur, sofern rechtlich möglich, außerordentliche Kündigungen mit anschließender Neuverhandlung. So kann es gelingen, die gestiegenen Kosten an Versender weiterzugeben.
2.1.6 Dezentrale Letzte Meile Zustellsysteme als unabhängige systemrelevante Infrastruktur stützen
Regionale Zeitungszustellung und Briefdienste sind in diesem Kontext eine der wichtigsten Säulen zuverlässiger regionaler Lieferketten. Sie haben eine der leistungsfähigsten KEP Strukturen für die letzte Meile. Die werktäglich erscheinende Zeitung hält die Zustellsysteme jeden Tag „am Leben“. Gleichzeitig stellt die Zeitung den Zugang zu Informationen für breite Bevölkerungsschichten sicher. Zeitungen genießen bei Bürgern i.d.R. hohes Ansehen und Glaubwürdigkeit. Sie erhalten ein Stück Normalität im nicht mehr normalen Alltag und bringen damit auch mentale Stabilität. Nicht zuletzt sind sie wichtiger Garant für die Pressefreiheit.
Die anstehenden Herausforderungen für die Zustellsysteme, beispielsweise die Energiewende, Mindestlohnsteigerung, Umstellung auf Elektromobilität/ Wasserstoff in Kombination mit den Anpassungen den Klimawandel sowie zusätzliche Erschütterungen durch militärische und Wirtschaftskriege sind gewaltig. Die letzten Jahre zeigen, dass Krisen und damit auch staatliche Eingriffe oft zugunsten von Konzernstrukturen und zu Lasten des Mittelstandes wirken.
Besonders für systemrelevante Infrastrukturen auf den ersten und letzten Meilen muss sichergestellt werden, dass sie dezentral und resilient organisiert sind. Sie gewährleisten die Versorgungssicherheit im Krisenfall. Bei den Lieferketten müssen wir sicherstellen, dass wir als Gesellschaft den Zugriff auf die Wertschöpfungsketten behalten. Die Lieferkettensysteme dürfen nicht durch wenige global agierende Plattformanbietern, die sich im Zweifel dem Zugriff der Gesellschaft entziehen, betrieben werden. Im Energiemarkt beispielsweise ist uns das nicht gelungen. Die Entwicklungen hin zu großen Abhängigkeiten muss bei den Lieferketten verhindert werden.
2.1.7 Stadtkurierdienste (B2B)
Traditionelle Stadtkurierdienste sind i.d.R. mittelständisch organisiert und stellen überwiegend B2B Sendungen zu. Die sich abzeichnenden Kostensteigerungen reduzieren den ohnehin geringen Deckungsbeitrag und steigern das Insolvenzrisiko. Sofern keine langfristigen Rahmenverträge mit Kunden geschlossen sind, könne gestiegene Kosten im Tagesgeschäft schnell weitergegeben werden. Das wird jedoch voraussichtlich mit sinkender Transportnachfrage bei Versendern kompensiert. Bei den Unternehmen verbleiben dann eher die nun unwirtschaftlichen Sendungen, bei denen kurzfristig keine Preisanpassungen bei Versendern möglich ist. Mittelfristig könnte hier der Umstieg auf Lastenradlogistik den Kostenanstieg teilweise kompensieren.
Die Preissteigerungen belasten Deckungsbeitrag und Liquidität der Unternehmen in erheblichem Umfang.
2.1.8 Botendienste (B2C) - Essen, Lebensmittel, Getränke, Restaurants
Botendienste - Essen, Lebensmittel, Getränke, Restaurants – werden zu großen Anteilen per Fahrrad durchgeführt. Hier haben die gestiegenen Kraftstoffpreise weniger Auswirkungen. In dem Fall, dass Kraftfahrzeuge zum Einsatz kommen, bspw. für Getränke und Lebensmittellieferdienste von Supermärkten, können Kostensteigerungen kurzfristig an die Kunden weitergeben werden. Kunden könnten sich dann bei steigenden Lieferkosten entscheiden, selbst vor Ort im Einzelhandel wieder einzukaufen.
In diesen Segmenten sind oft Unternehmen mit gutem Zugang zum Kapitalmarkt oder aber aus dem Bereich der großen Lebensmitteleinzelhändler aktiv. So sind Liquidität und finanzielle Stabilität vergleichsweise gut sichergestellt. Es könnte zu einem Schub für alternative Zustellfahrzeuge wie Lastenräder kommen.
2.1.9 Direktkuriere - nationale und europaweite Direktfahrten für die Industrie
Direktkuriere, transportieren meist kleine Sendungsvolumina national und international auf dem schnellsten Weg vom Versender zum Empfänger. Dieser Vorgang wird auch Sonderfahrt genannt. Die Sendungen werden i.d.R. ständig vom Kurier begleitet. Die oft über die Lasten- und Ladenraumbörsen abgewickelten Transporte haben eine durchschnittliche Distanz von 350 km. Direktkuriere stellen eine kurzfristige nationale, europa- und weltweite Verfügbarkeit von Gütern sicher. In Deutschland bieten ca. 4.000 Unternehmen Sonderfahrten an. Ein signifikanter Anteil daran kommt aus dem osteuropäischen Ausland.
Der Markt besteht überwiegend aus mittelständischen Unternehmen und wenigen Konzernanbietern. Aufträge werden überwiegend einzeln abgerechnet, Preissteigerungen können so schnell an Kunden weitergegeben werden. Steigende Preise werden hier die Nachfrage nach Transporten reduzieren und damit bei den KEP Unternehmen zu Umsatzrückgängen führen.
Besonders schwierig ist das extrem schwankende Frachtaufkommen aus dem Maschinenbau und der Automobilindustrie und die damit herrschende Planungsunsicherheit.
2.1.10 (Lasten)Radlogistik
Die Radlogistik ist kaum von steigenden Kraftstoffpreisen betroffen. Es ist jedoch unrealistisch, dass kurzfristig erhebliche Mengen aus der Paketzustellung auf die Radlogistik verlagert werden. Dazu sind aktuell zu wenige Lastenräder sowie dazugehörige Unternehmen am Markt.
2.1.11 Werkstattbelieferung und andere Nachtlogistik
Beispielsweise Autowerkstätten, Industrieunternehmen und Baustellen werden über Logistiknetzwerke beliefert, die während der Nacht in Betrieb sind. Wenige Großunternehmen dominieren als Systemanbieter den Markt und setzen Subunternehmen für die Transporte ein. Die Ausliefertouren umfassen Strecken von 100- 200 km und mehr. Die Wirtschaftlichkeit der Subunternehmer verschlechtert sich durch die steigenden Kraftstoffpreise erheblich. Ähnlich wie in anderen Branchen sind der Deckungsbeitrag und die Kapitaldecke der Subunternehmen sehr gering. Langfristige Verträge kennzeichnen die Vertragsbeziehungen. Systemanbieter haben in der Coronakrise die Lasten aus dem Lockdown tendenziell eher auf die Subunternehmer abgewälzt, als dass sie ihnen mit zusätzlichen Finanzmitteln geholfen haben. Auch in dieser Branche ist mit erhöhten Insolvenzen bzw. fehlender Liquidität zu rechnen.
Inwiefern hier Dieselfloater verbreitet sind, ist derzeit nicht bekannt. Trotz Dieselfloater zeichnen sich jedoch für die Unternehmen Probleme mit der Sicherstellung der Liquidität ab. Sie müssen die gestiegenen Dieselkosten über ca. 2 Monate vorfinanzieren.
3 Handlungsoptionen
Ziele von unterstützenden Maßnahmen sind
- Sicherstellung der Liquidität von KEP Unternehmen = Aufrechterhaltung stabiler systemrelevanter Lieferketten
- Kurzfristig: Schutz mittelständischer KEP Unternehmen vor Geschäftsaufgaben durch gestiegene Kraftstoffpreise
- Schaffung von Handlungsspielräume zur möglichst kurzfristigen Anpassung der Preise für Versender oder andere Auftraggeber bspw. Paketdienste
- mittelfristig: Unterstützung des Wandels hin zu effizienter Gütermobilität auf Basis erneuerbarer Energie
Maßnahmen sollten dahingehend geprüft werden, dass sie
- den Wandel von KEP Unternehmen hin zu Geschäftsmodelle mit signifikanten Effizienzsteigerungen bspw. durch Bündelung von Sendungsmengen forcieren
- den Wettbewerb um zukunftsfähige und sozial ausgewogene Geschäftsmodelle forcieren
- den Zugriff unserer Gesellschaft auf systemkritische Infrastrukturen sicherstellen
- Hilfe zur Selbsthilfe in den Vordergrund stellen
- Besonders den Mittelstand im Wettbewerb mit Konzernunternehmen stärken
3.1 Sofort: Sicherstellung der Liquidität
Bei der Unterstützung der Unternehmen kann auf die Erfahrung aus den Coronamaßnahmen zurückgegriffen werden. jedoch stellt sich die Situation heute grundlegend anders dar. Zu Coronazeiten wurde Geschäftstätigkeiten sehr stark heruntergefahren und die Kosten für Kraftstoff sind während der Coronanzeit sogar gesunken. Die Unternehmen sind vergleichsweise frisch und unbelastet in die Krise gegangen.
Heute haben wir aktive Wirtschaftskreisläufe und durch die Coronabelastungen stark geschwächte sowie ausgelaugte Unternehmen. Die ohnehin schon geringen Reserven sind aufgebraucht. Am Anfang der Coronazeit gab es ein deutlich größer Zeitfenster für Hilfsmaßnahmen. Aktuell steigt täglich das Risiko unterbrochener Lieferketten und schnelles Handeln binnen Tagen ist gefordert.
Als Maßnahmen kommen in Betracht:
- Stundung/Fristverlängerung von Steuern und der Sozialversicherungsbeiträge für systemrelevante Unternehmen.
- Erleichterungen beim Thema Kurzarbeit (bei voraussichtlich sinkenden Sendungsmengen)
- Sofortige Sicherstellung der Liquidität der Unternehmen.
Zeitlich begrenzte Einräumung oder gesetzliche Erhöhung aller gewerblichen Dispositionskredite und Kreditlinien. So können Firmenweiter ihre Löhne und Leistungen bezahlen, auch wenn ihnen die Kosten dramatisch steigen. Die Lieferketten bleiben somit intakt. - Übernahme der Risiken aus der Erhöhung der Liquidität
Die Zentralbank kann die von ihr sowieso gewünschte Geldschwemme auf diesem Wege gezielt in Strukturerhaltung investieren. Die Geschäftsbanken geben das zusätzliche Risiko an den Staat weiter und geraten so nicht selbst in Schieflage. - Aussetzendes Insolvenzrechtes für systemrelevante KEP-Unternehmen. Rechtsschutz/Straffreiheit für die Unternehmer bei Verstößen gegen das Insolvenzrecht.
Es muss verhindert werden, dass Geschäftsführer Konkursanmelden, um der strafbaren Konkursverschleppung zu entrinnen, obwohl es nach der Krise gut weiterlaufen könnte. - Sofortiger Schutz der betreffenden KEP Unternehmen vor dem Zugriff von Gläubigern auf die Arbeitsmittel und Liquidität.
- Sicherstellung der Ausstattung mit Kraftstoff und Ersatzteilen
3.2 Sofort: Unterstützung der Unternehmen bei der Einführung und Anwendung von Dieselfloater-Klauseln zur Weitergabe der unvorhergesehenen Kostensteigerungen an Auftraggeber bzw. Versender
Politik und Verwaltung sollten Informationsbeschaffung dahingehen unterstützen, in welchen Teilbranchen unvorhergesehenen Kostensteigerungen für Kraftstoffe nicht an Auftraggeber bzw. Versender weitergegeben werden können und wie stark daraus das Risiko nur eingeschränkt arbeitender Lieferketten ist. KEP Unternehmen müssen dabei unterstützt werden, den Zeitraum bis zur Weitergabe der unvorhergesehenen Kostensteigerungen zu verkürzen sowie ihn überbrücken zu können. Eventuell ist hier die Zusammenarbeit mit Factoringanbietern zum Aufkauf der Forderungen von KEP Unternehmen gegenüber Versenderkunden zielführend.
3.3 Kraftstoffpreiskorridor für Unternehmen in den systemrelevanten Lieferketten
Die sehr schnell und stark steigenden Kraftstoffpreise setzen die Gesellschaft erheblich unter Druck. Transportunternehmen sind dadurch über die fehlende Liquidität und Rentabilität unmittelbar in ihrer Existenz bedroht. Transportketten als systemrelevanten Infrastruktur drohen abzureißen. Ein Kraftstoffkostenkorridor für Wirtschaftsverkehre kann eine Lösung für die kommenden Herausforderungen aus dem starken Preisanstieg sein.
Die gesellschaftlichen Akteure stehen in diesem Kontext vor unterschiedlichen Herausforderungen.
Wirtschaftsunternehmen und öffentliche Einrichtungen sind durch steigende Transportkosten sowie fehlende Transportkapazitäten mittelbar bedroht. Ziel ist ein Mindestmaß an Planungssicherheit für Transportkosten zu gewährleisten. Zusätzlich dürfen Transportkosten, die Produkte nicht so stark verteuern, dass sie keine Abnehmer mehr finden. Das würde zu eingeschränkter Produktion oder auch Einstellung der Geschäftstätigkeit von Unternehmen und Einrichtungen führen. Die Inflation gewinnt dann weiter an Fahrt.
Staat und Verwaltungen sollten zum Ziel haben, die laufende Wirtschaftskreisläufe zu unterstützen, anstatt im weiteren Verlauf Transferleistungen auszuzahlen und die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Das funktionierende Gemeinwesen und die Versorgungssicherheit sind wichtige Voraussetzungen bei der Bewältigung der anstehenden Herausforderungen. Nicht zuletzt würde die Inflation nicht noch weiter angeheizt.
Transportunternehmen können nur dann die Lieferketten aufrecht erhalten, wenn im Tagesgeschäft die Liquidität sichergestellt, sowie darüber hinaus ein Mindestmaß an Rentabilität und Planungssicherheit gewährleistet ist.
Die Versorgung der Bevölkerung muss sichergestellt sein. Ein funktionierendes Gemeinwesen ist für die erfolgreiche Bewältigung der Herausforderung sehr wichtig. Auch dazu sind stabile Lieferketten wichtig. Der Bevölkerung muss es möglich sein, den Arbeitsweg aus den Lohnzahlungen zu angemessenen Kosten finanzieren zu können. Diese Mobilität und Wirtschaftsverkehre sollten Vorrang vor darüber hinaus gehende Individualverkehre haben. Dort wo es möglich ist, könnten Arbeitswege über die Arbeit im Homeoffice vermieden werden.
Alle Akteure sind auf funktionierende und bezahlbare Transportsysteme angewiesen. Ein Kraftstoffkostenkorridor kann eine Lösung darstellen.
- Wirtschaft und Politik vereinbaren ein Preiskorridor, in dem sich der Kraftstoffpreis in den nächsten Monaten bewegen wird. Die Wirtschaft und Verbraucher tragen Mehrkosten gegenüber den Kosten in stabilen krisenfreien Zeiten innerhalb dieses Kraftstoffpreiskorridors. Das Preisniveau kann über die Zeit steigen. So können die geplanten Maßnahmen beispielsweise zum Klimaschutz und die Lenkungsfunktion des Kraftstoffpreises im Zusammenhang mit der Energiewende umgesetzt werden. Es ist denkbar, dass in diesem Korridor auch die steigenden Rohölpreise in angemessener Höhe inbegriffen und ggfs. auch variabel sind.
- Der Staatkompensiert darüber hinausgehende Kraftstoffkosten. Diese Kosten resultieren maßgeblich aus dem Marktversagen und Spekulationenin Folge des Ukrainekrieges und nicht aus dem gestiegenen Rohölpreis. Staat und Politik können diese Preiskomponenten über die Außen- und auch Sicherheitspolitik beeinflussen. Je schneller und besser funktionierende Märkte wieder hergestellt sind, desto weniger Kosten muss der Staat kompensieren. Der Staat entscheidet selbst, über welche Instrumente die Kosten gedeckt, d.h. die Mehrkostenkosten erstattet werden.
Durch diese Vorgehensweise werden:
- Transportketten aufrecht erhalten,
- die gesellschaftlichen Akteure haben Zugang zu bezahlbaren Transportdienstleistungen,
- die Konjunktur wird nicht noch zusätzlich belastet
- die Inflation nicht noch weiter angeheizt sowie
- die Sozialsysteme entlastet.
3.4 mittelfristig: Bevorzugte Sicherstellung und Vereinfachung des Zugangs zu Nutzfahrzeugen mit alternativen Antrieben für Unternehmen der systemrelevanten Infrastruktur
Besonders bei regionalen Lieferketten sollten mittelständische KEP Unternehmen diskriminierungsfreien Zugang zu Nutzfahrzeugen mit Antrieben basierend auf erneuerbaren Energien erhalten. Für dieses Jahr haben wenige global agierende bei den wichtigen Herstellern faktisch die Jahresproduktion an konventionell und elektrisch betriebenen Nutzfahrzeuge aufgekauft. Mittelständische Unternehmen erhalten deshalb kaum noch diese Neufahrzeuge.
Im überregionalen Verkehr ist die Branche mittelfristig weiterhin auf konventionelle Antriebe angewiesen.
3.5 mittelfristig: Unterstützung und Förderung der Umsetzung neuer Geschäftsmodelle, deren Transporte auf erneuerbaren Energien aufbauen oder erhebliche Energieeinsparungen durch bspw. Bündelung von Sendungsmengen zum Ziel haben
Aktuell dominieren die Geschäftsmodelle traditionell arbeitender Konzernunternehmen den KEP Markt. Allein Amazon bricht diese Geschäftsmodelle maßgeblich zum eigenen und nicht zum Vorteil unserer Gesellschaft auf. Ziel ist es, möglichst viel Wertschöpfung in das eigene System zu ziehen und damit der Gesellschaft zu entziehen. Die Aktivitäten der Verwaltungen, Ministerien sowie die Förderkulisse sind faktisch auf die Bestandssicherung der Geschäftsprozesse weniger Konzernunternehmen ausgerichtet. Sie fördern nicht den Aufbau kreativer innovativer neuer Geschäftsmodelle, die beispielsweise Energiewende, den Klimaschutz sowie auskömmliche Vergütungen sicherstellen. Bestandssicherung statt Innovation steht im Vordergrund.
Benötigt werden Unterstützung und Förderungen der Umsetzung neuer Geschäftsmodelle, mit denen Transporte auf erneuerbaren Energien umgestellt werden oder die erhebliche Energieeinsparungen bspw. über Bündelung von Sendungsmengen zum Ziel haben
BdKEP | Berlin, 11. März 2022
Andreas Schumann
Vorsitzender des BdKEP
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Beitrag über Kraftstoffpreiskorridor für Unternehmen in den systemrelevanten Lieferketten
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